09 Oktober 2006

So und nun zur Abwechselung mal etwas Text, denn leider, wirklich leider hatte ich gestern Abend keine Kamera dabei. Wir, das heißt Rebecca, Theresa (Kunststudentin aus Weimar und auch mit an den Beaux-Arts) und ich waren mit Dany verabredet, den wir vorgestern auf einer kleinen Party kennengelernt haben. Er kommt eigentlich aus Kamerun, studiert aber schon seit drei Jahren Maschinenbau in Aachen und hat sich nun ebenfalls für ein Erasmussemester auf nach Toulouse gemacht. Er hat den nicht zu unteschätzenden Vorteil, dass in Kamerun neben Englisch auch Französisch gesprochen wird und er so hier überhaupt keine Verständigungsprobleme hat. In jedem Fall waren wir bei einigen französischen Kommilitonen von ihm und haben dort recht formvollendet und nach allen Regeln der Kunst vorgeglüht, um uns dann auf den Weg in eine Großraumdisco zu machen, die ein paar Kilometer entfernt, aber mit einem Shuttle-Bus an das Uni-Gelände hier angebunden ist. Die Disco "La Dune" (www.ladune.com) hat Donnerstags Studententag bei freiem Eintritt und da kommen etwa 3000 Toulouser Studenten zusammen. Während die Partys hier auf dem Campus in Rangueil ganz gut von Erasmus-Studenten aus aller Herren Länder "unterwandert" sind (die sind ja auch alle in den Wohnheimen hier zusammengepfercht) waren dort fast ausschließlich Franzosen, also bot sich damit eine hervorragende Möglichkeit, Länderstudien anhand von empirischen Erfahrungswerten zu betreiben (So klingt "saufen inner Disse" doch schon ganz anders, und im Übrigen: Woher kommt eigentlich mein Hang zu Klammern?) Rebecca ist also nach dem Vortrinken nach Hause und wir zum Bus, der uns zum Kampfpreis von 2 Euro (Aller et Retour) zur Disko gebracht hat. Der Bus war proppevoll mit betrunken Menschen, die alle, aber wirklich fast ausnahmslos alle, während der gesamten zwanzigminütigen Fahrt irgendwelche Lieder gegrölt und dabei im Takt mit Fäusten gegen die Scheiben und gegen das Dach des Busses geschlagen haben. Zur Abwechslung kam dann und wann mal Rumhüpferei hinzu, sofern die Choreografie des gerade gesungenen Liedes dieses einforderte. Irgendwann sangen die dann auch ein Lied, das kam mir seltsam bekannt vor, aber so hat ich es noch nie gehört, aber so hatte ich es noch nie (so, reicht dann jetzt auch) und es war dadada: die Marseillaise. Da fährt also um ein Uhr nachts ein Bus, voll mit vollen Franzosen übers platte Land (wie gesagt, die Disco liegt vor den Toren der Stadt), die voller Inbrunst ihre Nationalhymne singen... Aber gut, soll es im neopatriotischem Rausch des Weltmeisterschaftsgastgeberlandes Deutschland ja auch hin und wieder gegeben haben ;-) Als wir dann in die Disco wollten, wurden wir von den Türstehern sehr feundlich darauf hingewiesen, dass das Abgeben von Jacken und Taschen an der 2-Euro teuren Gaderobe Pflicht ist. Wenn man sich auf eine Sache verlassen kann, wenn man in ein fremdes Land fährt, ist es wohl, dass die Türsteher genau solche Vollzeitprolos sind, wie ihre deutschen Kollegen. Naja, wie dem auch sei, zmindest haben die stets finster dreinschauenden Herren in Schwarz nicht gemerkt, dass wir in den Hosentaschen noch das ein oder andere Bier mit hineingeschmuggelt haben, sonst wären die sicher unangenehm geworden. In der Disco war es dann abermals brechend voll und man verschmolz mit einer wilden, ekstatisch tanzenden, singenden und wabbernden Masse. Die Sangesfreude der Franzosen zeigte sich auch hier in ihrem vollen Ausmaße. Dazu gehört, wohl auf einem unsausgesprochenem Konsens der Feiergesellschaft beruhend, eine sehr offensive Art des Posens, und das geht so: Mindestens eine Hand muss stets in der Luft sein, um die Rythmen symbolisch mitzuwerfen, besser noch beide Hände, wobei es dem Tanzendem freigestellt ist, ob er eine links-rechts-Kombination, eine recht-rechts-links, oder aber - für die geübten Tänzer - eine Doppelhandwurf-Stratgie fährt. Eine "Ich-steh-hier-ein-bisschen-relaxt-rum-guck-mir-das-Ganze- erstmal-an-und-trink-mir-dabei-gemütlich-mein-Bier"-Zone sucht man übigens vergebens, so dass der Auftritt auf der Tanzfläche mehr Pflicht denn Kür ist, zu welcher Musik auch immer :-) Ein Riesenwindrad bläst dazu in regelmäßigen Abständen eine steife und erfrischende Briese in die Masse, während über den Köpfen der Menge auf einem Balkon Gogo-Tänzerinnen und Tänzer ein paar Stoffreste zur Musik bewegen, und das wohlgemerkt die ganze Nacht hindurch. Warum die Tresenkultur bei weitem nicht so ausgeprägt ist, wie in deutschen Diskos, hat einen ganz einfachen Grund, der uns auch recht früh am Abend aufging: Die Preise. Ein Bier (ein kleines Kronenburg à 0,3l) ist zu einem stolzen und völlig realitätsfremden Preis von 7 Euro zu haben. Das erklärt dann wohl auch, warum die ganzen Franzosen schon volltrunken in der Disko aufgelaufen sind, statt dann dort weiterzutrinken... Was aber in jedem Fall zur Erheiterung beigetragen hat, war die Playlist des DJs. Neben viel - ich sach jetzt mal ganz subjektiv - "Schweinemusik" und vielen französischen Liedern, liefen auch einige echte Kracher. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass Songs wie "We are the Champions" (Es wird sicher schon einige Male vorgekommen sein, dass deutsche Besucher viel zu früh und nicht minder irritert den Laden verlassen haben, weil sie dieses Lied als die berühmte "Rausschmeißermusik" interpretiert haben), "The Final Countdown", "Are you gonna be my girl" und last but not least "Cotton Eye Joe" hier echte Superkracher sind. Schande dem, der bei diesen Gassenhauern nicht aus voller Kehle mitgrölt und nicht mit beiden Händen gen DJ oder wahlweise gen Gogo-Ladies post :-) Mit vielen weitern Liedern, aber eher in Moll, schubsenden Türstehen an der völlig überfüllten Bushaltestelle, sowie einem in keinerlei Form zu beneidendem Busfahrer, der sich mit Nothalteknopf-drückenden Spaßvögeln herumzuplagen hatte, ging es dann zurück ins beschauliche Rangueil. Unterm Strich sind französische Großraumdiskos also aucht nicht viel besser als ihre deutschen Pendants, aber in jeden Fall mal eineb Besuch wert... Tobi

2 Comments:

At 09 Oktober, 2006 21:33, Anonymous Anonym said...

Na, das klingt ja großartig - wetten, wenn Du das nächste Mal hingehst und dem DJ "Scatman" überreichst, bist Du der King :-)

Ansonsten testet Mal Kronenburg-Bier - haben wir in Lyon gute Erfahrungen mit gemacht. Gibt es gleich im Zehnerträgern an diversen Tanken...

 
At 07 Dezember, 2006 03:10, Anonymous Anonym said...

Tja, werd ich mir nicht nehmen lassen, deiner abschließenden Empfehlung zu folgen und mir die Lokalität mal aus der Nähe und ausgiebig von innen anzusehen.

 

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